helnwein österreich

Kleine Zeitung Graz – 13. Juni 1999

"Apokalypse" Installation in der Dominikanerkirche, Krems, 1999

MAGIE DES ZÖLLNERS

von Frido Hütter

Helnwein, der Meister des Grauens auf den zweiten Blick, zeigt bei einer Personale in Krems verstörend intensive Grossformate. Estmals wieder seit fast zehn Jahren.
Es mag paradox scheinen: Aber Helnweins historisches Verdienst liegt hinter der - meist irrwitzig attraktiven - Oberfläche seiner Bilder:
Der zweite, dritte Blick offenbart dem Betrachter das psychologische.
Großtalent Helnwein, das Stimmungen und Zustände detailgenau erkennt und durchleuchtet.
Das war in Frühen Motiven wie "Leid macht stark" oder "Die Tochter des Schlurfs" erkennbar und ist auch hier nicht anders. Man nehme das oben abgebildete Motiv als Beispiel.
Wolfgang Bauer sagt: "Helnwein hält sich gerne an diversen Grenzen auf. Wer hier durch will, wird von ihm genau geprüft. Er ist einer der magischen Zöllner der Kunst."
Die Zollformalitäten in Krems seien somit ausdrücklich empfohlen.

Der Größte der Kleinen misst 10,5 mal 7 Meter. Es ist ein Hydrocephalus, im Volksmund Wasserkopf genannt und kaum dem Embryonalstadium entwachsen. Im Pathologischen Museum zu Wien beheimatet, scheint der kleine, tote Mensch über die Windungen Gottes wundersamer Wege zu träumen.

Gottfried Helnwein hat ihn fotografiert, sein Konterfei auf 75 Quadratmeter vergrößert und in die Apsis der Kremser Dominikanerkirche gehängt.

Seit mehr als 200 Jahren, seit Josef II. das anliegende Kloster schließen ließ, war der gotische Kirchenraum für verschiedenste Zwecke entfremdet. Zuletzt hat ihn die Feuerwehr benützt und über einer Zwischendecke sogar Dienstwohnungen gehabt. Nun, dank Helnwein's Großformat, ist es, als stünde hier wieder ein Altar. Jenen gewidmet, die von Haus aus so mühselig und beladen waren, dass sie Gottes Herrlichkeit ohne großen Umweg über irdische Jammertäler gleich schauen durften.

"Apokalypse" ist der Übertitel jener Schau, die Alf Krauliz, alter Bekannter des Malers und Intendant des "donau festivals", für Krems initiiert hat und damit für die erste österreichische Helnwein-Personale seit fast zehn Jahren sorgte. In eben dieser Zeit hat sich das "donau festivals" zu einer beachtlichen Mustermesse der Gegenwartskunst entwickelt: Crossover-Musik, Tanzperformances, Literatur und Kabarett werden dem Publikum geboten. Und das mit einem Gesamtbudget von 25 Millionen Schilling, "einem Siebtel dessen, was die Wiener Festwochen zur Verfügung haben", wie Intendant Krauliz nicht ohne Groll, aber auch stolz anmerkt.

Fünf Dutzend Bilder hat der nunmehr in Irland ansässige Gottfried Helnwein geliefert, groß- bis riesengroßformatig allesamt, 18 davon eigens für diese Ausstellung geschaffen. Kaufinteressenten müssen übrigens rund eine halbe Million Schilling bereithalten. Die beiden teuersten Bilder tragen den Titel "Feuermensch" und "Eismensch" und kosten jeweils 700.000 Schilling.

Die Machart ist unterschiedlich: Handgemachte Objekte, Fotos, Übermalungen und nach dem sogenannten Calsi-Verfahren vergrößerte Bilder hängen nebeneinander. Abgesehen davon, dass die Herstellungsweise per se in der Bildenden Kunst ihren Stellenwert weitgehend verloren hat, zeigte Helnwein wie kein anderer schon in frühen Jahren dermaßen furiose handwerkliche Meisterschaft, dass er sowieso in keiner Weise mehr beweispflichtig ist.

Es mag paradox scheinen: Aber Helnweins historisches Verdienst liegt hinter der -- meist irrwitzig attraktiven -- Oberfläche seiner Bilder: Der zweite, dritte Blick offenbart dem Betrachter das psychologische. Großtalent Helnwein, das Stimmungen und Zustände detailgenau erkennt und durchleuchtet. Das war in Frühen Motiven wie "Leid macht stark" oder "Die Tochter des Schlurfs" erkennbar und ist auch hier nicht anders. Man nehme das oben abgebildete Motiv als Beispiel.

Wolfgang Bauer sagt: "Helnwein hält sich gerne an diversen Grenzen auf. Wer hier durch will, wird von ihm genau geprüft. Er ist einer der magischen Zöllner der Kunst."

Die Zollformalitäten in Krems somit ausdrücklich empfohlen.

Gottfried Helnwein: "Apokalypse". Dominikanerkirche Krems. Bis 31. August, täglich außer Montag von 10 bis 19 Uhr. donau festival: Informationen unter (01) 368 23 56. www.donaufestival.at

Gottfried Helnwein, "APOKALYPSE" INSTALLATION AND ONE MAN SHOW IN KREMS, 1999
http://www.helnwein.com/werke/aktionen/tafel_3.html

13.Jun.1999 Kleine Zeitung Graz Frido Hütter