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Hamletmaschine – 13. September 1997

"Hamletmaschine", 1997

EIN TOTENTANZ DES SCHÖNEN SCHEINS

von Rheinhard J. Brembeck

Gert Hof und die "Hamletmaschine"
Die Bühne: ein Gerüst-, ein Gefängnisbau, vollgestopft mit Fässern. Hier herrscht der nackte Realismus der Wohlstandsslums.
Ophelia tritt auf, ein kleines Mädchen, eine lichtumstrahlte Gestalt. Doch sie ist schon allzu wissend, hat all die fürchterlichen Deformationen schon hinter sich, die ein Mensch erleiden kann.
Deshalb nimmt sie in einem beklemmenden Schlußbild, vor dem Hintergrund von Gottfried Helnweins umstrittener Nazi-Marien-Jesuskind-Ikone "Epiphanie" (die der Inszenierung fast eine Einstweilige Verfügung eingebracht hätte), die Welt noch vor ihrer Schöpfung wieder zurück.

Münchens Kulturreferent Siegfried Hummel, beileibe kein Mann großer Emotionen, sitzt derart erschrocken da, als hocke er in einem der schwarzen Stahlfässer, auf die "Les Tambours du Bronx" mit ihren Holzschlägern einknüppeln. Doch als würde der Prolo-Sound der dreizehn französischen Donnergötter pur nicht genügen, hat Regisseur Gert Hof in der für seine wüsten Zwecke allzu clean gelackten Muffathalle noch elektronische Verstärkung angeordnet und einen E-Gitarristen angeheuert, der aus seinem Instrument ohne Unterbrechung eine apokalyptische Grundierung herauskratzt. Das ist die plärrig dröhnende Klangfolie, gegen die sich in Hofs Inszenierung von Heiner Müller als uninszenierbar verschriebenen Lesetext "Hamletmaschine" die Schauspieler durchsetzen müssen.

Die Bühne: ein Gerüst-, ein Gefängnisbau, vollgestopft mit Fässern. Hier herrscht der nackte Realismus der Wohlstandsslums. Ophelia tritt auf, ein kleines Mädchen, eine lichtumstrahlte Gestalt. Doch sie ist schon allzu wissend, hat all die fürchterlichen Deformationen schon hinter sich, die ein Mensch erleiden kann. Deshalb nimmt sie in einem beklemmenden Schlußbild, vor dem Hintergrund von Gottfried Helnweins umstrittener Nazi-Marien-Jesuskind-Ikone "Epiphanie" (die der Inszenierung fast eine Einstweilige Verfügung eingebracht hätte), die Welt noch vor ihrer Schöpfung wieder zurück. Zwischen den beiden Ophelia-Kind-Bildern stehen zwei albtraumartige Kreuzwegstationen Hamlets. Dieser Hamlet (Ralf Richter immer zwischen cooler Pose und überverzweifeltem Witz) erscheint als erwachsenes Alter ego Ophelias: Der Mensch in der Revolte, der gegen den garstig getrommelten Gleichschritt der Gesellschaft keine Chance hat.

Regisseur Gert Hof ist ein Ritualpriester ohne Glauben, der einen Totentanz ohne Konzessionen abspulen läßt. Er ist nie am auf Einfühlung beruhenden bürgerlichen Sentimenttheater interessiert. Statt dessen schafft er aus Scheinwerferkegeln, Klang- und Blutorgien unmittelbar schroffe Bilder. Sprachzauber und der schöne Schein haben keine Chance; da gibt es wenig zu goutieren, also geht so mancher.

Gert Hof erzählt trocken, schnodderig. Doch so ernst es ihm ist mit seinem Thema, so wenig hebt er den Zeigefinger, so wenig drückt er auf die Tränendrüse. Epische Distanz ist Trumpf. Hof nimmt Müllers Text sehr wörtlich. "Mein Drama findet nicht mehr statt ..., für Leute, die es nichts angeht." Wenn der in Blut getränkte Hamlet seine Mutter würgt, ihr den Bauch zerfetzt, sie mit einem Kübel Blut sauber wäscht, dann ist das genauso lustig-schrecklich wie "Pulp Fiction" oder "Fargo". Aber nach und nach entsteht ein feiner Sog in dieser scheinbar so groben Arbeit, schleicht sich das Entsetzen ein, ohne groß zu punkten. Die Zeit des politischen Theaters scheint vorbei. Und ist es, auf eine unangepaßt faszinierende Weise, doch wieder nicht.

"Hamletmaschine" Heiner Müller, Gert Hof, Gottfried Helnwein
http://www.helnwein.com/werke/theater/tafel_3.html

13.Sep.1997 Rheinhard J. Brembeck